Seit einigen Jahren leben im Vareler Wald kleine, gut getarnte Wesen: die Herbstmännchen. Ob Tischtennisspieler, Camper oder Gärtner – Sie alle bestehen aus Naturmaterialien wie Eicheln und kleinen Zweigen und fallen zwischen dem Laub im Wald kaum auf. Wer sich aktiv auf die Suche nach den Herbstmännchen macht, wird jedoch spätestens beim ersten Fund in ihren Bann gezogen. Doch woher kommen die kleinen Männchen? Wir haben die Erschaffer Marion Jodanow und Malte Diers interviewt und durften uns die Werkstatt, in der die Herbstmännchen geboren werden, anschauen.
„Seit wann bastelt ihr die kleinen Männchen und wie seid ihr darauf gekommen?„
Marion: Die Idee ist durch Zufall entstanden. Malte ist Hobbyfotograf. Ende Oktober 2020 ging es los mit den Stimmungsbildern: Sonnenuntergang, Herbststimmung mit buntem Laub – und wir wollten es irgendwie mal anders machen. Und dann kam mir die Idee mit den kleinen Männchen, die ich im Internet entdeckt hatte. Ich habe eins gebastelt und bin mit Malte in den Wald gegangen, um es zu fotografieren. Nach dem Foto haben wir uns gedacht: Was machen wir jetzt mit dem Männchen?
Malte: Wir haben es einfach stehengelassen und das Bild in der Facebook-Gruppe „Du bist Vareler wenn…“ gepostet. Nach einer halben Stunde kam schon die erste Frage, wo man das Männchen finden kann. Da mussten wir selbst auf Google Maps nochmal nachschauen, wo wir es auf unserer Fahrradtour genau ausgesetzt haben und haben den Standort per Message verschickt. Einige Tage später tauchten plötzlich mehrere Fotos mit dem Männchen auf. Das war echt verrückt. Dann hat Marion in der nächsten Woche neue Männchen gebastelt. Die haben wir dann bewusst im Vareler Wald versteckt und eine Wegbeschreibung veröffentlicht. Daraus hat sich dann ein Hype in der Corona-Zeit entwickelt und viele Leute haben jede Woche nach den Männchen gesucht.
Marion: Zwei Jahre lang habe ich jede Woche Männchen gebastelt und mit Malte freitags in den Wald gebracht. Wir haben einfach Spaß daran. Es ist unser Hobby.

„Wie kommt ihr auf neue Ideen für die Männchen?„
Marion: Das ist schwierig. Das muss sich spontan, situationsbedingt ergeben. Zum Beispiel steht am Wochenende eine Veranstaltung in Varel und umzu an oder das Wetter wird schön. Beispiele sind Frühlingsfest, Kramermarkt, Karnevalsumzug oder Street Food Festival. Politische Themen greifen wir gar nicht auf.
„Aus was bestehen die Herbstmännchen?„
Marion: Für die Herbstmännchen verwende ich nur Naturmaterialien – bis auf den Kleber. Anfangs habe ich frische Eicheln verwendet. Das hat die Tiere im Wald angezogen und die Männchen wurden häufiger mal aufgefressen. Mittlerweile nehme ich länger gelagerte, getrocknete Eicheln, die für die Tiere nicht mehr interessant sind.
„Wie lange dauert es, ein Herbstmännchen und das dazugehörige Equipment zu basteln?„
Marion: Das Männchen selber entsteht mittlerweile relativ schnell. Aber alles drumherum – da muss ich mir erstmal Gedanken machen, aus was ich es bauen will und wie ich es umsetzen kann.
Malte: Wenn man es auf Arbeitstage umrechnen würde, sitzt Marion ungefähr 1,5 Arbeitstage in ihrer Werkstatt, um die zwei Herbstmännchen mit dem Drumherum zu bauen. Für die Geburtstage der Herbstmännchen sitzt Marion auch schon mal ein bis zwei Wochen jeden Abend in ihrer Werkstatt. Ich kümmere mich um die Fotos und die Geschichte für Facebook und Instagram. Die Geschichte schreibe ich erst nach dem Fotografieren der Herbstmännchen im Wald.

„Gibt es auch Mitmach-Aktionen?„
Malte: Ja, zu den Jahrestagen der Herbstmännchen versuchen wir Jung und Alt zu animieren, selbst Männchen zu basteln und diese dazuzustellen. Beim ersten Geburtstag haben wir Holzscheiben hingelegt, auf dem die Leute ihre eigenen Männchen als Zuschauer positionieren konnten. Da haben viele mitgemacht. Beim zweiten Geburtstag haben wir einen Jahrmarkt gebastelt, bei dem eigene Fahrgeschäfte oder Besucher ergänzt werden konnten. Für den dritten Geburtstag haben wir zu Halloween einen Bilderrahmen mit Herbstmännchen gemacht, in dem sich die Leute kostümiert fotografieren lassen konnten. Viele haben sich dort auch fotografieren lassen, aber die Online-Präsenz ist geringer ausgefallen. Beim letzten Geburtstag haben wir eine Straße mit einem Spielmannszug entworfen. Leider wurden kaum Männchen von anderen Leuten dazu gestellt. Wir haben den Eindruck, dass die Leute sich nicht mehr so zum Basteln mit ihren Kindern hinsetzen, wie sie es früher mal getan haben. Aber sie schauen sich die Männchen gerne an.
Marion: Letztes Jahr haben wir am Geburtstag der Herbstmännchen eine Oma und einen Opa mit ihrem Enkelkind getroffen, die von Anfang an die Herbstmännchen gesucht haben. Die drei sind jede Woche Sonntag von Wilhelmshaven nach Varel gefahren, um die Männchen zu finden. Auch viele Ältere suchen bei ihren täglichen Spaziergängen die Herbstmännchen. Darüber freuen wir uns sehr. Online bekommen wir nicht mehr so viel Feedback. Wir erfahren eher vor Ort, wer danach sucht und wie sich die Finder freuen.

„Wie oft werden die Herbstmännchen ausgesetzt?„
Marion: In den ersten zwei Jahren haben wir jede Woche ein Herbstmännchen in den Wald gebracht. Danach haben wir uns entschieden, jeden Monat irgendwo im Wald ein Herbstmännchen auszusetzen. Dabei achten wir darauf, dass möglichst keine neuen Trampelwege entstehen. Zur Brut- und Setzzeit werden die Herbstmännchen nicht im Wald ausgesetzt. Da suchen wir uns andere Plätze, zum Beispiel die Vareler Innenstadt und verschiedene Sehenswürdigkeiten in Varel.
„Wie findet man die gut getarnten Herbstmännchen?„
Malte: Wir veröffentlichen auf Facebook eine Wegbeschreibung. Ohne Beschreibung wird es schwierig. Wir haben schon mal eine Nachricht erhalten, dass jemand einen ganzen Nachmittag gesucht hat und die Männchen nicht gefunden hat. Mit der Wegbeschreibung war er dann aber erfolgreich. Es ist aber auch schon vorgekommen, dass ein Kind beim Spielen an einer Baumwurzel ein Herbstmännchen zufällig entdeckt hat.
„Wie viele Herbstmännchen gibt es mittlerweile?„
Marion: Anfang März haben wir das 321. Herbstmännchen ausgesetzt. Und sie sind alle verschieden.
„Werden die Herbstmännchen auch mal geklaut?„
Malte: Ja, einige Männchen sind geklaut worden – vor allem die großen aufwendigen Sachen. Auch Vandalismus kam eine Zeit lang öfter mal vor. Oft fallen die Herbstmännchen aber auch den Tieren zum Opfer oder sie zerfallen einfach irgendwann. Aber wir haben sie alle fotografisch festgehalten und Ende 2021 ein Buch veröffentlicht.

Wenn ihr die Herbstmännchen in ihrer natürlichen Umgebung sehen wollt, fahrt in den Vareler Stadtwald und macht euch mithilfe der Wegbeschreibung auf die Suche.
Weitere Informationen findet ihr hier:
https://www.facebook.com/herbstmaennchen
https://www.instagram.com/_herbstmaennchen_
https://www.herbstmaennchen.de
Bilder © Malte Diers