„Oben auf der Düne geht mir das Herz auf!“ – Alltag einer Rangerin

Für Alexandra Kellner ist ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. Seit 2015 ist sie Rangerin im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer auf der Nordseeinsel Juist. Als Kind ließ sie keine Folge der Fernsehserie „Daktari“ aus, in der es um die Rettung von wilden Tieren in Afrika geht. Seitdem wollte sie unbedingt Rangerin werden und den Tieren helfen. Über viele Umwege und nach fast 40 Jahren ging ihr Traum dann in Erfüllung. Nun ist sie zwar nicht in Afrika aber dafür hier im Weltnaturerbe Wattenmeer. Teetied sprach mit ihr darüber, wie dieser Kindheitstraum nun in Wirklichkeit aussieht.

Frage: Frau Kellner, was macht eigentlich eine Rangerin?
Alexandra Kellner: Eine Rangerin ist vor allem ganz viel draußen in Ihrem Gebiet im Nationalpark. Während ich auf meiner Insel entweder zu Fuß oder auf dem Fahrrad unterwegs bin, führe ich Umweltbeobachtungen durch und dokumentiere diese. Ebenso kontrolliere ich Schilder, Infotafeln, Wegemarkierungen und andere Einrichtungen im Nationalpark zur Besucherinformation und bin für viele Gäste Ansprechpartnerin direkt vor Ort zu ganz unterschiedlichen Themen.

 

Im Frühling und Sommer, zur Brutzeit der Vögel und zur Vegetationszeit, bin ich auch in Sachen Artenschutz beschäftigt; beispielsweise zäune ich am Strand die Nester von seltenen Brutvögeln ein, damit diese bei ihrem Brutgeschäft nicht gestört werden. In den Salzwiesen, Vordünen und Polderflächen erfasse und dokumentiere ich die Vorkommen von seltenen Pflanzen. Manchmal bin ich auch nachts mit einer Stirnlampe ausgerüstet unterwegs, um beispielsweise herauszufinden, ob und wie viele Kreuzkröten es wo überall auf Juist gibt, diese hört man nämlich vorwiegend nach Sonnenuntergang rufen. Ich bin aber auch schon mal bei Sonnenaufgang morgens um halb fünf auf Tour, um dem Balzgesang vieler seltener Singvogelarten, wie zum Beispiel dem Blaukehlchen, auf der Insel zu lauschen.

Frage: Wie ist das Inselleben für Sie persönlich?
Alexandra Kellner: Ich liebe das Meer. Zwar fehlt mir manchmal der Wald, mit dem ich aufgewachsen bin. Wenn mich das Heimweh nach Wald, Wiese und Hecke packt, gehe ich über einen Dünenabgang hinunter an den Strand. Dabei öffnet sich schon oben auf der Düne mein Herz. Und wenn ich dann den Sand zwischen meinen Zehen spüre und meinen Blick auf den Spülsaum richte, so vergesse ich ganz schnell mein Heimweh und fühle mich eins mit der Natur.

Frage: Können sie uns einen typischen Arbeitstag beschreiben?
Alexandra Kellner: Den typischen Arbeitstag einer Rangerin gibt es nicht. Jeder Tag ist anders. Aber ich bin in der Regel jeden Tag draußen in der Natur unterwegs. Natürlich richte ich mich dabei, wenn es geht, nach dem Wetter, ansonsten geben die Jahreszeiten ein wenig den Takt an: Im Januar und Februar, das sind eher ruhigere Monate, mache ich mehr Schreibtischarbeit, d.h. ich bereite Führungen vor, arbeite Umweltbildungskonzepte für den Inselkindergarten und die Junior Ranger aus, oder reflektiere und dokumentiere Vergangenes. Auch die Digitalisierung von Umweltbeobachtungen und Monitoring fällt meist in diese Zeit, genauso wie die Nachbestellung von Schildern, und auch Fortbildungen und Schulungen finden meist im Winter statt.

Ab März geht es dann draußen so richtig los: Nach den Winterstürmen müssen viele Schilder wieder gerade gerückt werden, Wegepfosten bekommen einen neuen Anstrich, einiges muss ganz ersetzt werden. Ab April startet die Brutvogelerfassung, bei der ich unterstützend dabei bin. Ebenso beginnt wieder mein Umweltbildungsprojekt mit dem Inselkindergarten von Juist, auf das sich die Kinder schon ganz doll freuen, und ganz nebenbei kommen an Ostern auch die ersten Gästeströme wieder auf die Insel. Auch Artenschutzmaßnahmen wie der Strandbrüterschutz nehmen jetzt wieder mehr und mehr Zeit in Anspruch.

Von April bis Anfang Oktober geht es dann Schlag auf Schlag. Mit den Zugvogeltagen, die jährlich ab dem 2. Oktoberwochenende stattfinden, endet die Saison – ein arbeitsreicher, aber schöner Abschluss mit dem Veranstaltungshighlight unseres Nationalparks. Im November kehrt dann Stille ein, Zeit für Urlaub, mal durchatmen, den leeren Strand mal ganz für sich alleine haben, bevor im Dezember die nächsten Gäste auf die Insel kommen.

Frage: Und was ist das Beste an Ihrer Arbeit
Alexandra Kellner: Immer draußen sein zu können, in einer fantastischen Naturlandschaft, die unglaublich dynamisch ist. Meine Liebe und Begeisterung für die Natur an viele Menschen weitergeben zu können. Meiner Berufung tagtäglich folgen zu können, ohne dass dabei ein Tag dem anderen gleicht. Und mit vielen unterschiedlichen Menschen ins Gespräch kommen zu können.

Frage: Gibt es auch Dinge, die Sie nicht so gerne tun?
Alexandra Kellner: Ja – zum Beispiel Hundebesitzer/innen ansprechen, dass sie ihren vierbeinigen Freund bei uns im Nationalpark in der Zwischen- und Ruhezone anleinen müssen. Oder Leute, die quer durch die Ruhezone laufen, wieder auf den zugelassenen Wanderweg bringen. Solche Gespräche laufen nicht immer konfliktfrei ab, aber das gehört zum Ranger-Job, immer wieder freundlich, sachlich und geduldig solche grundlegenden Verhaltensregeln zu vermitteln.

Frage: Wie nehmen Sie hier die Jahreszeiten wahr, unterscheidet sich das von ihren vorausgegangenen Arbeitsplätzen?
Alexandra Kellner: Ja, auf jeden Fall – hier nimmt man die Jahreszeiten viel intensiver wahr- sie geben den Takt für meine Arbeit vor.

Frage: Muss man aus ihrer Sicht spezielle Eigenschaften mitbringen um einen guten Ranger abzugeben?
Alexandra Kellner: Man sollte als Ranger/in über eine gute Beobachtungsgabe verfügen, geduldig sein und manchmal ein dickes Fell haben. Ich bin mir sicher, dass all meine Kollegen/innen ihren Beruf als Berufung sehen, die Natur lieben und viel mehr als „nur ihren Job tun“. Tagtäglich sind wir alle mit viel Fingerspitzengefühl, Einfühlungsvermögen und persönlichem Engagement dabei, die Akzeptanz und Anerkennung des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer zu stärken und dies mit viel Verständnis für die Bedürfnisse der Einheimischen und Gäste.

Frage: Wenn Sie ohne Rücksichten hier bestimmen könnten, was würden sie tun?
Alexandra Kellner: Zum Wort Rücksicht: Naturschutz ist nie gegen den Menschen gerichtet, da wir Menschen die Natur zum Leben brauchen. Naturschutz funktioniert auch nicht, indem man Menschen irgendwo aussperrt, man muss sie mit ins Boot holen, daran teilhaben lassen.

Wenn ich ohne Rücksicht bestimmen könnte, würde ich morgen ein Gesetz erlassen, dass den weltweiten Gebrauch von Plastik ab sofort verbietet.

Frage: Können sie uns etwas über die Besucher erzählen, die hierherkommen?
Alexandra Kellner: Obwohl zahlreiche Gäste schon seit Generationen herkommen, ist vielen die Bedeutung des Wattenmeers für die Zugvögel, die den ostatlantischen Zugweg benutzen, nicht bewusst. Sie wissen nicht, dass hier zweimal jährlich, im Frühjahr und im Herbst etwa 10 Millionen Zugvögel Rast machen müssen, um ihre unglaublich anstrengende Reise zwischen südlichen Winterquartieren und ihren Brutgebieten hoch im Norden bewältigen zu können.

Viele Gäste kommen nach Juist, um zu entschleunigen, den Strand zu genießen, oder weil sie schon als Kind hier Urlaub gemacht haben. Die meisten kommen auch wegen der schönen Natur hierher, ohne aber zu wissen, was man selbst für deren Erhalt alles tun kann. Das sind meine Ansprechpartner/innen, sie sind interessiert, wollen helfen und nehmen gerne Rücksicht, wenn man ihnen zeigt, worum es hier geht.

Frage: Was weckt hier das größte Interesse bei den Besuchern?
Alexandra Kellner: Ich glaube, dass eine Wattwanderung für viele Gäste ein Höhepunkt ihres Aufenthalts im Wattenmeer ist. Aber auch die Seehunde, wenn sie am Strand liegen, wecken Jahr für Jahr das Interesse der Gäste, leider häufig auch so stark, dass der nötige Sicherheitsabstand zu den Tieren nicht eingehalten wird und die Tiere dadurch oft unnötig gestresst werden.

Frage: Haben sie für uns eine Anekdote aus ihrem Arbeitsleben auf Lager?
Alexandra Kellner: Ja, Seehunde sind Säugetiere und haben Lungen wie wir Menschen zum Atmen. Sie kommen an den Strand, um sich ausruhen zu können, gerade Jungtiere sind auch schon mal geschwächt und brauchen eine längere Verschnaufpause. Leider passiert es immer wieder, dass Menschen das nicht wissen und wenn sie so ein Tier am Strand liegen sehen, in Aufregung geraten und ihr Helfersyndrom mit ihnen durchgeht. Das äußert sich dann darin, dass diese Menschen verzweifelt versuchen, diesen Seehund nass zu halten – oft über mehrere Stunden und mit einem enormen Kraftaufwand; sie laufen permanent zur Wasserkante und schöpfen dort mit irgendetwas Meerwasser, um es dann über den Seehund zu gießen. Oft geschieht dies mit so einer Überzeugung, dass man sie auch ganz schwer davon abbringen kann – für sie geht es in diesem Moment ja vermeintlich um Leben oder Tod. Da muss ich dann schon mal meinen Dienstausweis rausholen, damit man mir glaubt und das arme Tier in Ruhe lässt.

Frage: Was ist für sie ganz persönlich das Schönste am Wattenmeer?
Alexandra Kellner: Das Licht, das Meeresrauschen, die Stille, die vielen Vogelschwärme, das Unbeständige, der Duft der Salzwiesen, … so könnte ich noch unzählige Dinge aufzählen, die für mich alle zusammen ein Gedicht oder eine Melodie ergeben. Ich bin jeden Tag erneut verzückt von der Schönheit, der Vielfältigkeit dieses Lebensraums, der ja jetzt auch meiner ist.

 

 

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