Die Hüter der Wasserstraßen: Schleusenwärter und ihr wasserdichter Auftrag

Ostfriesland ist geprägt von einer einzigartigen Wasserlandschaft. Moore, Seen, Kanäle, weiße Klappbrücken, Siele, Schleusen und Mühlen sind seit Jahrzehnten charakteristisch für die Region, die sich hinter den schützenden Deichen erstreckt. Dieses idyllische Bild von Ostfriesland ist das Ergebnis jahrhundertelanger Bemühungen der Einheimischen, die sich gegen die ständige Bedrohung von Hochwassern und Sturmfluten zur Wehr setzen mussten. Eine tragende Rolle spielen dabei die Menschen, die Tag für Tag dazu beitragen, das Land trocken zu halten: die Schleusenwärter.

Die Deiche sind prägend für das Landschaftsbild in Ostfriesland. Schafe übernehmen dabei wichtige Aufgaben in der Deichpflege – Foto: Achim Meurer

Bereits im 16. Jahrhundert begannen die Ostfriesen mit dem Bau eines durchgehenden Deiches, der das Land vor den Gefahren durch Hochwasser und Sturmfluten schützen sollte. Das war gar nicht so einfach und äußerst beschwerlich, denn einfache Werkzeuge wie Spaten, Forke und Trage waren damals die einzigen Hilfsmittel. Mit Pferd, Karren und schweren Geräten war es unmöglich, durch den schlammigen Boden zu gelangen. Der Deichbau ermöglichte es den Menschen, das Marschland zwischen dem Deich und dem Geestrücken zu besiedeln und das Gebiet nach und nach zu kultivieren.

Der Ems-Jade-Kanal ist heute ein beliebtes Revier für Bootjefahrer

Der Deichbau hatte jedoch zur Folge, dass das Wasser aus dem Hinterland nicht mehr ins Meer abfließen konnte. Um eine Überflutung des Hinterlandes zu verhindern, wurden Siele, Kanäle und Schleusen gebaut. Auf diese Weise wurde überschüssiges Wasser während der Ebbe zurück in die Nordsee geleitet. Diese künstlich angelegten Wasserwege spielten bis ins 20. Jahrhundert hinein eine entscheidende Rolle als Hauptverkehrswege für Warenlieferungen und Personentransport. Güter wie Kohle und andere Brennstoffe aus dem Ruhrgebiet konnten unabhängig von Gezeiten zum Hafen in Wilhelmshaven gelangen. Mit dem Ausbau des Bahnnetzes änderte sich die Situation. Die Wasserwege verloren ihren wirtschaftlichen Stellenwert. Dennoch sind Freizeitschiffer und „Bootjefahrer“ bis heute auf diesen Wasserstraßen aktiv.

Eine der bedeutendsten Wasserstraßen in Ostfriesland ist der im Jahr 1888 fertiggestellte Ems-Jade-Kanal. Dieser diente nicht nur als Verbindung zwischen den Seehäfen Emden und Wilhelmshaven, sondern auch zur Entwässerung und Erschließung der angrenzenden Hochmoorgebiete.

Schleusenwärter Jan Bohls an seiner Wirkungsstätte: die Schleuse Rahe

Das Reisemagazin Teetied hat sich mit Jan Bohls getroffen. Er ist der Schleusenwärter an der Schleuse in Rahe – einem Stadteil von Aurich. Seine Aufgabe besteht darin, die Schleuse zu betreiben und zu warten, den Wasserstand im Ems-Jade-Kanal zu regulieren sowie Schiffe sicher passieren zu lassen. Jan Bohls erklärt uns, dass die Schleusenanlage heutzutage vollständig computergesteuert und kameraüberwacht ist. Mit nur wenigen Mausklicks können die Schleusentore geschlossen, die Schleuse geflutet und die hydraulische Brücke bedient werden.

Der Beruf des Schleusenwärters erfordert Flexibilität, da er von den Gezeiten, dem Wetter und der Saison abhängig ist. Vor allem im Herbst und Frühling, wenn die starken Regenfälle über Ostfriesland einbrechen und Stürme toben, ist eine regelmäßige Überwachung des Wasserstands und des Wetters erforderlich. Elektronische Wasserstandsmesser an beiden Seiten außerhalb der Schleuse senden Signale an die Bedienanlage der Schleuse, die den Wasserstand regulieren kann, solange bestimmte Grenzwerte, z. B. durch zu starken Niederschlag, nicht überschritten werden. Jan Bohls steht in ständiger Bereitschaft, da er in Notsituationen rund um die Uhr eingreifen muss. Schließlich geht es um die Verhinderung von Hochwasser.

Neben der Schleusenbedienung gehören auch die Wartung und Instandhaltung der Schleusenanlage, die Pflege der Deichfußentwässerungsgräben, die Beseitigung von Treibgut im Gewässer sowie die Aktualisierung der Beschilderung zu den Aufgaben eines Schleusenwärters. Uns wird direkt klar, welch große Verantwortung ein Schleusenwärter für die gesamte Anlage übernimmt.

Das Schleusenwärter-Häuschen an der Schleuse in Rahe

Jan Bohls arbeitet seit über 20 Jahren als Schleusenwärter in Rahe und hat im Laufe der Zeit viele „Stammkunden“ kennengelernt. Er genießt den Schnack mit den Leuten, von denen viele von ihnen doch jedes Jahr wieder durch seine Schleuse schippern. Obwohl die Anzahl der Schleusungen in den letzten Jahren abgenommen, glaubt er nicht, dass der Beruf des Schleusenwärters aussterben wird. Die Vielfalt der Aufgaben und die Notwendigkeit der Schleuseninstandhaltung sorgen dafür, dass es der Schleusenwärter weiterhin einen wichtigen Platz in der ostfriesischen Wasserlandschaft einnehmen wird.  

Teetied möchte von dem Schleusenwärter wissen, was er an seinem Beruf besonders schätzt. An erster Stelle erwähnt Jan Bohls die enge Bindung zu seinen Kindern während sie heranwuchsen.
Der Wohnort der Familie liegt keine 200 Meter von der Schleuse entfernt. Die Kinder wussten immer, wo ihr Papa arbeitet, kannten seinen Arbeitsplatz und konnten ihn besuchen. Gleichzeitig hegt er eine leidenschaftliche Begeisterung für die technischen Aspekte seines Berufes. Trotz der vielfältigen Herausforderungen seines Berufes, empfindet er große Zufriedenheit, als Schleusenwärter die Wasserwege Ostfrieslands zu erhalten.

Gegenüber dem Schleusenwärter-Häuschen gibt es mit dem Kukelorum übrigens ein tolles Ausflugslokal. Auf der Terrasse kann man die Schleusungen hautnah mitverfolgen.

Wer die Wasserstraßen Ostfrieslands erkunden möchte und vielleicht mal die Schleuse von Jan Bohls mit seinem Boot passieren möchte, für den haben wir natürlich auch ein paar Tipps parat: https://www.ostfriesland.travel/urlaubsthemen/aktiv-zu-wasser/wasserwandern

Nachträgliche Ergänzung:
Als Angebot für Motorbootfahrer und Segler gibt es seit 2022 zudem den Boots-Pass EJK/NGFK. Dieser ermöglicht freie Fahrt durch Schleusen und Brücken am Ems-Jade-Kanal und Nordgeorgsfehnkanal. Gäste im Revier zahlen einmalig 40 EUR und können dann, während der offiziellen Betriebszeiten, die Schleusen und Brücken unbegrenzt nutzen. Wer nur Einzelschleusungen benötigt, für den ist weiterhin eine Einzelabrechnung je Schleusung beim Schleusenmeister möglich. Jeder Schleusenvorgang kostet dann 6 EUR. Weitere Informationen unter:
https://www.ostfriesland.travel/urlaubsthemen/aktiv-zu-wasser/wasserwandern/boots-pass

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