Plauderstunde mit Autorin Sylvia Lott: „Schreiben ohne Tee ist undenkbar“

Die Autorin Sylvia Lott ist gebürtige Ostfriesin und lebt in Hamburg. Viele Jahre schrieb sie für verschiedene Frauen-, Lifestyle- und Reisemagazine, inzwischen konzentriert sie sich ganz auf ihre Romane, die regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste zu finden sind. Bei der Recherche zu einem ihrer Romane faszinierte sie die glanzvolle und wechselhafte Geschichte Norderneys, und die Idee entstand, eine mehrbändige Saga zu schreiben. Nach »Die Frauen vom Inselsalon«, »Sturm über dem Inselsalon« und »Goldene Zeiten im Inselsalon« (die es ebenfalls alle drei auf die SPIEGEL-Bestsellerliste schafften) ist »Neue Träume im Inselsalon« das lang erwartete Finale der Reihe um einen Friseursalon auf Norderney während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Anlässlich der Neuerscheinung ihres Buches hat sich das Reisemagazin Teetied bei einer gemütlichen Tasse Ostfriesentee mit ihr unterhalten.

Foto: Melanie Dreysse

Frau Lott, wie ist heute ihre Beziehung zu Ostfriesland?
Ich bin in Westrhauderfehn geboren, meine Eltern stammten beide aus Ostrhauderfehn, aufgewachsen bin ich in Augustfehn – gleich hinter der Grenze zum Oldenburgischen, im Ammerland. Ich bin also eine waschechte Fehntjerin und fühle mich auch immer noch so, obwohl ich schon seit vielen Jahren in Hamburg lebe. Alle paar Wochen besuche ich meine Familie in der alten Heimat. Und natürlich spielt Ostfriesland in vielen meiner Romane eine wichtige Rolle.

Warum kommt Ostfriesland so oft in Ihren Romanen vor?
Weil ich die Landschaft liebe, die alten Backsteingebäude, den Zungenschlag und den trockenen Humor hier,  die frische Luft, den weiten Blick über grüne Weiden und natürlich die Nordsee und ihre Inseln. Das steckt in mir. Das wird man nicht wieder los, wenn man damit aufgewachsen ist.

Pünktlich zum Frühlingsanfang erscheint Ihr Roman „Neue Träume im Inselsalon“. Worum geht‘s darin?
Es ist der vierte und letzte Band einer Norderney-Saga, die von der Kaiserzeit bis in die Wirtschaftswunderjahre reicht. Im Mittelpunkt steht immer der Friseursalon Fisser. „Neue Träume im Inselsalon“ spielt von 1935 bis 1955 auf der Insel. Es dreht sich wieder alles um Liebe, Freundschaft und Zeitgeschichte. Man erfährt, wie es weitergeht mit Frieda, Grete und ihren Familien auf Norderney. Als 14-Jährige hatten sie sich ja 1904, also noch zu Kaisers Zeiten, am Damenstrand kennengelernt – Frieda, die lebenstüchtige, stets optimistische blonde Tochter eines trunksüchtigen Fischers und einer Badedienerin und die kränkelnde Grete aus einer Berliner Industriellenfamilie. Trotz der gesellschaftlichen Unterschiede werden sie Freundinnen fürs Leben. Frieda heiratet in den Inselsalon Fisser ein und geht ganz auf in ihrem Beruf als Friseurin, während Grete mit dem Inselarzt eine Familie gründet und sich ehrenamtlich um erholungsbedürftige Kinder im Seehospiz kümmert.

Warum legen Sie eigentlich so viel Wert auf die Recherche? Kann man nicht einfach drauflosfabulieren?
Ich zumindest könnte das nicht. Vielleicht, weil ich gelernte Journalistin bin. Sicher auch, weil ich mir, je mehr ich über den Alltag und die Gesellschaft eines bestimmten Settings weiß, um so besser vorstellen kann, wie man unter anderen Umständen als den heutigen gelebt hat. Der Zeitgeist prägt ja den Menschen und seine Gefühle. Diesmal, glaube ich, wird es besonders spannend, denn das Schicksal meiner Heldinnen ist natürlich eng verknüpft mit den dramatischen Ereignissen in diesen beiden bewegten Jahrzehnten von 1935 bis 1955.

Es ist also nicht nur ein Liebesroman oder eine Familiensaga, sondern auch, wenn man das so sagen kann, ein Stück „Geschichte von unten“? 
Genau! Zum historischen Hintergrund des Romans gehören etwa die „Norderney judenfrei“-Kampagne gleich zu Beginn der NS-Zeit, das größte HJ-Lager Deutschlands in den Dünen, die Reichspogromnacht auf der einst bei jüdischen Kurgästen überaus beliebten Urlaubsinsel, der Ausbau Norderneys zur Seefestung, das Ausbleiben von Besuchern, weil die Insel zum militärischen Sperrgebiet erklärt wurde, Bombenabwürfe auf Norderney mit Toten und Verletzten, als Folge dessen die monatelange Verschickung der Inselkinder 1941 ins Salzburger Land, die Übervölkerung nach dem Krieg durch Ausgebombte, Flüchtlinge und Heimatvertriebene, zugleich Norderneys neue Bestimmung als „Short Leave Center“ – Kurzzeiterholungszentrum für britische und polnische Soldaten, denen die besten Hotels und die Kureinrichtungen vorbehalten bleiben sowie die Entwicklung der Insel zum berüchtigten „Schmugglerparadies“ und schließlich der Abzug der britischen Besatzer im Jahr 1952, der den Weg freimachte für den erneuten Aufstieg Norderneys zur einer der beliebtesten deutschen Urlaubsinseln. Das alles wird nachvollziehbar in berührenden Schicksalen.

Muss man die ersten drei Bände der Inselsalon-Reihe kennen, um den neuen, vierten Band zu verstehen?
Nein, überhaupt nicht. Man kann so reinspringen in die Szene im Sommer 1935, als wieder dieser schweigsame, gut aussehende Mann in den Salon kommt, der immer nur von Fräulein Fisser rasiert werden möchte…

Haben Sie einen Lieblingsort in Ostfriesland?
Das ist schwer zu beantworten. Meinen absoluten Lieblingsplatz werde ich nicht verraten – am Ende legt dort noch irgendein Krimiautor eine Leiche ab. 😉 Es gibt so viele Orte, die ich zu bestimmten Zeiten besonders mag: an Regentagen auf Norderney die Bibliothek im Conversationshaus, immer den Sonnenuntergang von der Marienhöhe aus betrachtet und den Sonnenaufgang von einer der Norderneyer Thalasso-Plattformen in den Dünen aus; einen Bummel durch die Altstadt von Leer zu den historischen Schiffen auf der Leda, die Wallheckenlandschaft hinter Remels im Nebel, das Fehnmuseum in Rhauderfehn, einen Spaziergang am Deich entlang von Vreschen-Bokel durch das Naturschutzgebiet Aper Tief zur Hengstforder Mühle während des Tidenwechsels, fast alle Nordseestrände im Hochsommer, die menschenleere Westermarsch an einem klaren Frosttag. Und noch Vieles mehr. 

Foto: K. A. Almstadt

Gibt es etwas, worauf Sie als Ostfriesin nicht verzichten können?
Na klar – Teetied! Wo mein Stövchen und mein Ostfriesengeschirr stehen, bin ich Zuhause. Schreiben ohne Tee ist undenkbar. Selbst bei Lesungen fühle ich mich am wohlsten, wenn man mir einen schönen Tee kredenzt.

Weitere Informationen zu Sylvia Lott unter www.romane-von-sylvia-lott.de

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